INHALTSVERZEICHNIS
Die überwiegende Organisationsform der Erstellung von Wohnraum in den letzten 20 – 25 Jahren war die der Bauträgerschaft auf kommerzieller Basis. Das Kostenrisiko liegt in einer Hand, entsprechend hoch ist der Aufschlag für Wagnis und Gewinn.
Das Haus oder die Wohnung werden erworben wie ein Gebrauchsgegenstand. Für sein Geld kann man etwas verlangen, folglich führt jeder Fehler zu Rückbehalten von Kaufpreisteilen und zu gericht1ichen Auseinandersetzungen. Noch ein Grund, den Risikoaufschlag zu erhöhen.
Dieses System funktioniert so lange, wie Geld genug vorhanden ist oder zu sein scheint.
Es wäre zu beweisen, dass die Zufriedenheit mit einer so erworbener Wohnung nicht sehr groß ist. Zum einen wird man das Gefühl nicht los, dass man zu viel bezahlt hat; zum anderen, und das dürfte der schwerwiegendere, häufig unbewusste Grund für die Unzufriedenheit sein, gibt es nur äußerst beschränkte Möglichkeiten der Mitgestaltung des so wichtigen Lebensraumes Wohnung. Und das gilt auch für die meisten z. Z. entstehenden Projekte "Kostengünstiger Einfamilienhäuser". Das oben beschriebene "Vertriebssystem" wurde übernommen. Das Haus bleibt ein Gebrauchsgegenstand, an dem die "Verteiler", wenn auch nicht mehr so viel wie früher, aber doch noch verdienen.
Die Bewohner dürfen die Farbe des Wandanstriches und des Teppichs bestimmen, mehr nicht. Ich sehe schon den Haustür-Katalog auf dem Tisch liegen und die ganze Familie darin nach ihrer individuellen Note suchen. Auf diese Art kauft man ein Auto und bestückt es mit Aufklebern. Nur, ein Auto kann man nach 3 oder 5 Jahren wieder verkaufen. Man kann sich außerdem damit bewegen und so die Umgebung wählen.
Das Haus bildet den Lebensraum über ein Lebensalter.
Diejenigen, die heute behaupten, das Haus sei ein Massenartikel mit allgemein definierbarem Gebrauchsanspruch, sind entweder furchtbar borniert oder verfolgen handfeste wirtschaftliche Interessen.
Wie weiland die Bauträger, unterbieten sich jetzt die Baugesellschaften im Verein mit Architekten und Regierungsstellen, jeder für sich natürlich mit anderen Motiven, mit der Handelsware Wohnung.
Man muss schließlich neue Märkte erschließen. Der Markt der Besserverdiener ist abgegrast, jetzt kommt der Kleine Mann dran. Was aber, wenn auch dieser Markt erschöpft ist?
Ich wage nicht, mir das auszumalen. Ist auch nicht mein Thema.
Das heißt ja "Identifikationsprozesse".
Nach dem Urteil der vielen "Kostengünstig-Bauer" passt individueller Wohnanspruch oder Bedarf nicht mehr in unsere ökonomische Landschaft, und damit finden Identifikationsprozesse nur noch in der Bilanz der Baugesellschaften statt und, ich will es nicht verleugnen, beim Architekten in Bezug auf das Produkt seiner Kreativität.
Dabei ist es aus mehreren Gründen dringend erforderlich, den Bewohner an der Gestaltung seines Lebensraumes zu beteiligen. Diese Erkenntnis ist doch nicht neu, mindestens für uns so alt wie Mitscherlich oder Jane Jakobs. Sie ist auch sehr einfach in die Tat umzusetzen. Ihre Realisierung bringt Sogar so erhebliche volkswirtschaftliche Vorteile, dass sie nach den Gesetzen der Logik in die Förderungsbestimmungen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus einfließen müssten.
Am Beispiel des Pilotprojektes Hagen – Haspe – 26 Einfamilien-Häuser – möchte ich versuchen, diese These zu beweisen ; indem ich zum einen den Planungsprozess darstelle einschl. der wichtigen Organisatorischen Hilfsmittel, zum anderen die Selbsthilfe der Bauherren und die Rahmenbedingungen der Selbsthilfe erläutere. Dabei werde ich die Honorierung der Architektenleistung ansprechen und kurz eingehen auf die Einschaltung kleinerer bis mittlerer einheimischer Betriebe und deren Bedeutung für die Kosten- und Organisationsstruktur.
Die Stadt Hagen stellte 1982 = 9.000 m² Brutto-Bauland für ein Pilotprojekt "kostengünstige Einfamilien-Häuser" zur Verfügung und beauftragte uns mit der Ausarbeitung eines Konzeptes für die Bebauung.
Der Gemeinnützige Wohnungsverein Hagen übernahm die Aufgabe des wirtschaftlichen Betreuers.
Die Planung erfolgte zuerst auf allgemeiner Basis, unter Zugrundelegung folgender Rahmenbedingungen:
Das Planungsergebnis in Stichworten: ( D I A )
Zwei Ausschreibungsverfahren wurden gewählt:
Ausgehandeltes Ergebnis:
Mittelhaus 116.400 DM
Endhaus 124.500 DM
Planungs- und Ausschreibungsergebnis wurden dann den von der Stadt Hagen benannten Bauinteressenten (ca. 80) vorgestellt. Ein städtebauliches Mode 11 und ein Baumodell im Maßstab 1 : 50 abnehmbarem Dach und Dachgeschoss und perspektivische Darstellungen sollten das ganze anschaulicher machen.
Der wirtschaftliche Betreuer erläuterte generelle Fragen der Finanzierung und Förderung. Die Architekten erklärten ihre Planung und die Rahmenbedingungen. Alle Interessenten erhielten Planunterlagen und hatten 14 Tage Zeit, sich damit auseinanderzusetzen, und in Einzelterminen bei den Betreuern und Architekten Rückfragen zu stellen. In einem 2. Termin wurden dann vertiefende Informationen gegeben, diesmal in Gruppen zu jeweils 5 – 6 Parteien. In anschließenden Einzelterminen überprüfte der Betreuer die finanzielle Situation der Bewerber.
46 Bewerber kamen danach für das Projekt infrage. Der Grundstücks-Ausschuss der Stadt wählte dann nach einem Kriterien-Katalog den Personenkreis aus, der ein Grundstück erhielt.
Nachdem die Bauherren feststanden, wurde eine 1. Bauherren-Informations-Veranstaltung durchgeführt, in der folgende allgemeine Themen von Betreuern und Architekten behandelt wurden:
Über einen Zeitraum von 4 Wochen wurden diese Termine dann verteilt. Gegenstand dieser Gespräche waren:
Zeitraum dieser Gespräche im Durchschnitt 2-3 Stunden. Das protokollierte Ergebnis und die geänderten Pläne wurden von den Bauherren abgezeichnet und sie erhielten eine Kopie dieser Unterlage.
Die Architekten holten jetzt noch Angebote über die Sonderwünsche ein, und danach begannen die Auftrags-Vergabeverhandlungen mit den Unternehmern. Die Massen waren genau ermittelt, so dass Aufträge zu Pauschal-Festpreisen vergeben werden konnten.
Ergebnis:
Mittelhaus 116.400 DM
Endhaus 124.500 DM
(ohne Erweiterungen)
Nach Baubeginn fanden dann noch drei weitere Gemeinschaftsveranstaltungen der Bauherren statt, die jetzt bereits von einem gewählten Beirat einberufen und geleitet wurden. Themen waren u.a.:
Ausführung der Gemeinschaftsanlagen,
Gemeinschaftshaus (ein Kapitel für sich),
Außenbeleuchtung,
Gemeinschaftsantenne,
Verkabelung,
Bestellung der Materialien für die Selbsthilfe.
Das Material wurde nach von den Architekten erstellten Materiallisten gemeinsam eingekauft, nachdem die Architekten und Bauherren die preisgünstigsten Lieferanten ermittelt hatten.
Anleitung zur Selbsthilfe.
Die Bauherren wurden angeschrieben, wann der Unternehmer mit den Leistungen beginnt,
so dass sie an Ort und Stelle die Ausführung beobachten Konnten.
Darüber hinaus wurden in weiteren Ein Ze1terminen von den Architekten Erläuterungen und Anweisungen gegeben.
Diese Einzeltermine fanden noch 3 Mal auf der Baustelle in einem dort eingerichteten Baubüro, jeweils Freitags, 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr, und Samstags von 9.00 bis 18.00 Uhr, statt.
Die Selbsthilfe musste im zeitlichen Rahmen des Terminplanes erfolgen, was auch gelang. Die organisierte Selbsthilfe hat zu keinem Zeitpunkt zu Verzögerungen im Bauablauf geführt (Baubeginn 10. Okt. 1982, erster Einzug 1 . Mai 1983, letzter Einzug und Fertigstellung der Außenanlagen 1 . August 1983).
Von nennenswerten Schwierigkeiten kann ich kaum berichten. Im Gegenteil, mir schien der Bauablauf reibungsloser als bei einem Einzelbauherrn oder bei einer Bauträgermaßnahme.
Voraussetzung ist eine straffe Organisation und Disziplin. Diese aber erschließen dem Bauherrn wesentliche Feiheiten im gestalterischen und wirtschaftlichen Bereich und ermöglichen ihm, dass er sich mit seiner Wohnung und deren Umfeld eher identifizieren kann.
Andererseits kann aber auch der Architekt neben der beruflich befriedigenden Arbeit mit dem Honorar, auch wenn nur Wiederholungshonorar und nur Gebührenzone III unten gezahlt wird, leben.
Zum Abschluß noch einige Sätze zur Organisationsform der Baudurchführung:
Der Einsatz örtlicher Handwerksbetriebe hat sich als vorteilhaft erwiesen, weil
In Haspe war es so, dass für ein Gewerk z. T. zwei oder drei Firmen beauftragt wurden. Da die Preise im Wettbewerb differierten, mussten sie wegen des Gleichhaltungsgrundsatzes auf ein Niveau gebracht werden. Es ist gelungen, alle Firmen auf das Preisniveau des günstigsten Bieters zu bringen. Dabei muss angemerkt werden, dass nur solvente Firmen am Wettbewerbsverfahren beteiligt wurden.
Der Hintergedanke, dass durch Einsatz mehrerer Firmen auch ein Druckmittel bei Termin- und Qualitätseinhaltung gegeben war, hat wohl vorgelegen, bedurfte aber nicht der Anwendung.